Wo sich berühren Raum und Zeit

Wo sich berühren Raum und Zeit,
am Kreuzpunkt der Unendlichkeit,
ein Pünktchen im Vorüberschweben.
– Das ist der Stern, auf dem wir leben.

Wo kam das her, – wohin wird es gehn?
Was hier verlischt, wo wird es auferstehn?
– Ein Mann, ein Fels, ein Käfer, eine Lilie
sind Kinder einer einzigen Familie.

Das All ist eins. Was „gestern“ heißt und „morgen“,
ist nur das Heute, unserem Blick verborgen.
Ein Korn im Stundenglase der Äonen
ist diese Gegenwart, die wir bewohnen.

Dein Weltbild, Zwerg, wie du auch sinnst,
bleibt ein Phantom, ein Hirngespinst.
Dein „Ich“, das Glas, darin sich Schatten spiegeln,
das „Ding“ an sich, – ein Buch mit sieben Siegeln.

Wo sich berühren Raum und Zeit,
am Kreuzpunkt der Unendlichkeit. –
Wie Windeswehen in gemalten Bäumen
umrauscht uns diese Welt, die wir nur träumen.

Ein Gedicht von Mascha Kalèko.

Am Meer

Der Blick zum Himmel . . . .

Der Mensch, wie sehr ihn auch die Erde anzieht mit ihren tausend und abertausend Erscheinungen, hebt doch den Blick forschend und sehend zum Himmel auf, der sich in unermessenen Räumen über ihn wölbt, weil er es tief und klar in sich fühlt, dass er ein Bürger jenes geistigen Reiches sei, woran wir den Glauben nicht abzulehnen noch aufzugeben vermögen.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), Dichter der Klassik, Naturwissenschaftler und Staatsmann

Nachthimmel in der Wüste (Oman)

Sterne – Himmel – Wahrheit

Wir sehen dieselben Sterne, der Himmel ist uns gemeinsam, dasselbe Weltall schließt uns ein. Warum ist es so wichtig, nach welcher Lehre jeder die Wahrheit sucht? Man kann nicht nur auf einem einzigen Weg zu einem so erhabenen Geheimnis finden.

Quintus Aurelius Symmachus (um 340 – 402), römischer Politiker, an Kaiser Valentinian II. im Jahre 384.

Dieser weise Text ist zu lesen im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe.

Seerosen

So sehr du vermagst (Konstantinos Kavafis)

Auch wenn du dein Leben nicht führen
kannst, wie du es willst,
um eins bemühe dich zumindest
so sehr du vermagst:
Würdige es nicht
herab in etlicher Gebundenheit an
jedermann, in etlichen Betriebsamkeiten
und Gerede.

Würdige es nicht herab, indem du’s
einbringst, ständig umtreibst und es
bloßstellst in Beziehungen und des
Verkehrs alltäglicher Torheit, bis es
dir lästig wird, wie fremd.

Der griechische Dichter Konstantinos Kavafis lebte von 1863 – 1933 vorwiegend in Alexandria, Ägypten. Die Themen seiner Dichtung waren Philosophie, Geschichte und Erotik – Themen, die er in seinen Gedichten reizvoll verbindet. Kavafis war Dichter in einer Zeit des Übergangs zwischen hellenischen Idealen und einem modernen geistigen Neubeginn. Einem Neubeginn, der auch ihm zu verdanken ist.

Meer und Strand