AM ANFANG DES NEUEN JAHRES

Jetzt am Anfang des neuen Jahres
danken
für alles, was gelungen ist,
bereichernde Begegnungen,
fördernde Erfahrungen,
hilfreiche Unterstützungen,
animierende Impulse.

Jetzt am Anfang des neuen Jahres
hoffen,
dass ich Schwierigkeiten meistern,
Bedürfnisse von Mitmenschen sehen,
Situationen richtig einschätzen,
meine Grenzen rechtzeitig sehen
und mich an Fortschritten freuen kann.

Jetzt am Anfang des neuen Jahres
damit rechnen,
dass vieles nicht gelingen wird,
Ziele nicht erreicht
und Wünsche nicht erfüllt werden,
manches Problem nicht gelöst wird
und manches Stückwerk bleibt.

Jetzt am Anfang des neuen Jahres
ja sagen zu meinen Möglichkeiten,
offen sein für Neues
und mich freuen an dem, was ist.

Ein Gedicht von Max Feigenwinter

Ein Sommergedicht von Georg Britting

SOMMERGEFÜHL

Kurzer Sommer, glühender, bleib! Dein Anhauch
Zwar verdrießt das ängstliche Gras. Das Korn doch
Liebt dich, der sich rötende Wein. Die Grille
Singt dir ein Loblied,

Und die Lerche, wenn sie ins Blaue klettert,
Tut es trillernd, dir zu gefallen, und des
Wilden Klatschmohns purpume Blüte ist ein
Feuriger Juhschrei!

In den kühlen, glänzenden Nächten richtet
Sich das grüne Gras wieder auf. Die Schnecke
Wandert durch das taunasse Land und sieht nicht
Oben die Sterne:

Ihren Fühlern sind sie entrückt! Sie fürchtet
Jetzt schon wie die Kröte im schwarzen Hohlweg,
Wie der Salamander im Sumpf den süßen,
Rosigen Morgen.

MUSCHELN, MUSCHELN (Gedicht)

Muscheln, Muscheln, blank und bunt,
findet man als Kind.
Muscheln, Muscheln, schlank und rund,
darin rauscht der Wind.

Darin singt das große Meer –
in Museen sieht man sie glimmern,
auch in alten Hafenkneipen
und in Kinderzimmern.

Muscheln, Muscheln, schlank und rund,
horch, was singt der Wind:
Muscheln, Muscheln, bunt und blank,
fand man einst als Kind!

Gedicht von Wolfgang Borchert

DU MUSST DAS LEBEN NICHT VERSTEHEN

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

WELCHES SIND DIE GROSSEN TAGE

Welches sind die großen Tage,
die für uns Bedeutung haben?
Gewiss nicht Zeiten großer Klage!
Gewiss nicht Feste voller Gaben.

Es ist meist nur der Augenblick:
In dir sind leise Stimmen,
durch dich strömt ein Gefühl von Glück
und lässt dein Herz mitschwingen.

Da gibt es Tiefen oder Höhen,
da gibt es Freud, da gibt es Leid,
oft überrascht uns ein Geschehen,
des Lebens Fortgang nennt man Zeit.

Gedicht von „anonym“

SINN FÜR MEIN LEBEN (Gedicht von Inge Müller)

Ich schließe die Augen und atme Ruhe,
ich schließe den Mund und atme Schweigen,
ich schließe die Ohren und atme Stille.
Ich horche nach innen zur Mitte.
Ich hole mich ein.

Mitten in mir liegt, was ich suche:
Freude an dem, was ich bin,
Mut zu dem, was ich könnte,
Gedanken an alles, was war,
ein Lächeln für heute,
Hoffnung für morgen.
Mitten in mir lässt er sich finden:
Sinn für mein Leben.

ICH WÜNSCHE DIR

Ich wünsche dir,
dass das Glück
in dir Wurzeln schlägt
und die Freude dich
zu gespannter Erwartung
auf die Überraschungen
des Lebens hinbewegt.

Ich wünsche dir,
dass fröhliche Lieder in dir
deine Lebendigkeit
zum Klingen bringen
und tanzend
neue Kreise ziehen.

Ich wünsche dir,
dass sich die Zuversicht
hell wie das Morgenlicht
auf deinen Wegen
ausbreitet
und dich beschwingt
der Zukunft entgegengehen lässt.

(Christa Spilling-Nöker)

Gedicht zum Neuen Jahr (Peter Rosegger)

Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit,
Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid,
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass,
Ein bisschen mehr Wahrheit – das wäre doch was!

Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh‘,
Statt immer nur ICH ein bisschen mehr DU,
Statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
Und Kraft zum Handeln – das wäre gut!

Kein Trübsal und Dunkel, ein bisschen mehr Licht,
Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht,
Und viel mehr Blumen, solange es geht,
Nicht erst auf Gräbern – da blüh’n sie zu spät!

Peter Rosegger